Vom Mut zur Entscheidung oder der Angst vorm Scheitern

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Horst Völser

Bozen – „Das klappt nie!“ „Dieses Risiko würde ich nie eingehen.“ „Lass die Finger davon!“ Wer kennt sie nicht, diese und ähnliche Ratschläge, meistens von Menschen, die es gut mit einem meinen und ihn oder sie damit vor Unheil bewahren wollen. Oft geht es in solchen Fällen um wichtige Entscheidungen im Geschäfts-, aber genauso auch im Privatleben, bei denen man sich gerne im Vorhinein die Einschätzung anderer (oft auch Expert:innen) einholt. Damit möchte man sich in der eigenen Entscheidungsfindung zusätzlich absichern. Die Krux daran ist, dass in den meisten Fällen die Angst vor dem Scheitern ein weiteres Handeln und Umsetzen – und damit verbunden oft auch ein Erfolgserlebnis – verhindert.

Wer möchte schon gerne scheitern?

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Scheitern in der Regel mit Versagen und Inkompetenz gleichgesetzt wird. Oftmals kommen dazu noch Häme und Spott, die sich in einem schlechteren Ruf widerspiegeln, was klarerweise jeder vermeiden möchte. Die positiven Aspekte eines Scheiterns, wie zum Beispiel der nicht zu unterschätzende Lerneffekt, werden kaum wahrgenommen. Das Stigma des „Versagens“ überwiegt und lässt Entscheider:innen oft im Bewahren alter Positionen bleiben.

Das Problem aber ist: Diese zögerliche, ängstliche Haltung sorgt meist dafür, dass die Umsetzung potenziell sehr guter Ideen erst gar nicht initiiert wird. Man verharrt in der komfortablen „Abwarten-Position“, die zu keiner Entwicklung und keiner Verbesserung führt. Dabei bedingt Scheitern die Haltung: Ziel nicht erreicht – gescheitert! In den meisten Fällen stimmt das aber nicht: Das Ziel wird vielleicht nicht erreicht, häufig aber sehr wohl Teilziele. Und auch diese tragen zum weiteren Erfolg bei.

USA: Mut zur Innovation höher eingeschätzt

In den USA wird Scheitern in der Wirtschaftswelt als notwendiger Lernprozess angesehen. Viele Unternehmensgründer:innen legten vor ihrem großen Durchbruch krachende Abstürze hin, standen wieder auf und gelangten – reich an neuer Erfahrung – auf die Erfolgsschiene. So gibt es viele Unternehmen, die Führungspositionen nur an Menschen vergeben, die nachweislich gescheitert sind. Mut zur Innovation wird höher eingeschätzt als das Scheitern und deswegen auch belohnt.

Bestes Beispiel dafür war Apple-Gründer Steve Jobs, der nach einem rasanten Aufstieg aus dem eigenen Unternehmen rausgeworfen wurde, um später zurückzukommen und Apple in der Folge in die heutige Leader-Position zu bringen. Weitere bekannte Beispiele sind Bill Gates, Henry Ford, Walt Disney und im deutschen Sprachraum auch Frank Thelen. Allen ist gemein, dass ihre ersten Versuche, sich in der Geschäftswelt zu behaupten, gescheitert sind.

Nüchterne Betrachtung jeder Entscheidung

Vorsicht ist an und für sich etwas Gutes, weil es unüberlegtes Handeln verhindert. Der Psychologe und Wirtschaftsnobelpreisträger 2002 Daniel Kahneman vertritt in seiner Prospect­ Theory die These, dass Menschen stärker durch Verluste als durch Gewinne motiviert werden und demnach mehr Energie in die Vermeidung von Verlusten als in die Erlangung von Gewinnen investieren. Diese „Übervorsicht“ verhindert Handeln, welches notwendig wäre, eine gute Idee umzusetzen. Eine nüchterne Betrachtung jeder Entscheidung sagt einem, dass die Wahrscheinlichkeit zu „gewinnen“ gleich hoch ist, wie zu „verlieren“. Konkret bedeutet das, dass bei gleichen Chancen die Angst vor dem Versagen größer als die Erwartung eines Gewinns ist.

Und damit sind wir bei einer der Kernfragen angekommen. Was hindert dann eigentlich jemanden an der Umsetzung seiner Idee? Oder noch konkreter: Was hindert jemanden daran, seine Ideen auch umzusetzen? Wie kann man das Gewinnen höher oder zumindest gleich wahrscheinlich einschätzen als die Angst vor dem Scheitern? Dabei behilflich könnte ein:e Sparringpartner:in sein, mit der:dem man sich austauschen kann, die:der in diesen Fällen wertvolle Hilfe bieten kann, um aus dem Rad der eigenen Gedanken auszusteigen. Ein neutrales Gegenüber ermöglicht oft neutrale Ansichten, eine realistischere Abschätzung des Risiko-Gewinn-Verhältnisses und bietet nachhaltige Hilfe beim Entscheiden.

Fragen stellen

Doch man kann auch alleine versuchen, diese Hindernisse aus dem Weg zu schaffen. Am besten schreibt man sich dabei die einzelnen Punkte auf. Folgende Fragen bzw. Anregungen geben Unterstützung:

  1. Welche Gründe sprechen für die Umsetzung der Idee?
  2. Welche Vor- und Nachteile können entstehen?
  3. Was wäre das Ergebnis im besten Fall?
  4. Was wäre im schlechtesten Fall? Wie könnte man damit umgehen?
  5. Man nimmt Abstand, am besten schläft man eine Nacht darüber und geht nochmals alles durch, bevor man eine endgültige Entscheidung trifft!

Eine gute Planung der Entscheidungsphase ist Gold wert. Wenn man nach all den Bedenken oder Risiken, die man sich mit der Verschriftlichung der Idee vor Augen hält, immer noch von der eigenen Idee überzeugt ist, steht einer detaillierten Planung und Umsetzung nichts mehr im Weg.

Martin Gschliesser und Horst Völser