Durch Fehler Potenziale freisetzen
Bozen – Der Wandel hat uns voll im Griff. Zur jetzigen Zeit gehören Dinge, die bisher unvorstellbar waren, plötzlich zur Tagesordnung. In so einer Situation sind Fehler vorprogrammiert. Um aber handlungsfähig und erfolgreich bleiben zu können, bedarf es neuer Ideen und der Bereitschaft, Neues auszuprobieren. Nichtsdestotrotz: Vor Ärger, Frust oder Angst gelähmte Mitarbeiter:innen verlieren oft den Mut, Neues auszuprobieren. Im Zentrum muss stehen, dass aus Fehlern der nächste Schritt in echte Entwicklung gegangen wird.
Basis für gute Fehlkultur sind Freiräume
Die Bewertung eines Fehlers ist das, was die Reaktion auf ihn steuert. Wer verstanden hat, was das Gute an Fehlern ist, braucht sie nicht zu verurteilen, sondern er nutzt das daraus entstehende Potenzial. Das ist am Beispiel von Kindern leicht zu verstehen: Sie lernen durch Ausprobieren und kennen kein Richtig oder Falsch. In dem Sinne gibt es keine Bewertung des Fehlers, sondern er wird einfach als Erfahrung wahrgenommen. Kinder haben einen Raum, in dem sie lernen können; die Freude an der eigenen Wirkung ist für das Kind wichtiger Grund, die Sache weiter zu verfolgen.
Wie kann man das auf die Arbeitswelt übersetzen? Zentral ist die Haltung der Führungskräfte und des Unternehmens selbst. Allem voran sind klare Ziele und Ergebnisse festzulegen. Die Mitarbeiter:innen brauchen Spiel-räume, den eigenen Weg dorthin zu finden. Es liegt dabei an der Führungskraft, auszutarieren, wie viel Freiraum möglich ist: Das Maß an Eigenständigkeit, Erfahrung im Themenfeld, kulturelle Unterschiede und andere Faktoren sind hier durchaus zu berücksichtigen. Freiräume können auch nach und nach ausgeweitet werden.
Führungskraft hat die tragende Rolle
In Zusammenarbeit mit den Mitarbeiter:innen werden Methoden von den Prozessen abgeleitet, die ihnen ermöglichen, die Ziele zu erreichen. Es braucht einerseits Klarheit über den Status, der erreicht werden soll, andererseits Flexibilität auf dem Weg dorthin. Die Führungskraft begleitet und unterstützt, sie steht als Coach zur Seite. Der Erfolg, die eigene Wirkung der Mitarbeiter:innen ist echte Motivation, dann weiterzugehen.
Es liegt an der Führungskraft, auszutarieren, wie viel Freiraum für die/den Mitarbeiter:in möglich ist.
Was aber passiert bei Fehlschlägen? Hier ist die Führungskraft besonders gefragt: Wenn Fehler passieren, werden diese nicht vertuscht oder angeprangert. Sie werden als Lernfeld für jeden Einzelnen und – je nach Unternehmensgröße – für das Team genutzt. In einem gemeinsamen wertschätzenden Gespräch (evtl. im Team) gilt es zu verstehen, was genau nun schiefgelaufen ist. Wirklich: WAS genau?! Erst dann geht es an die Lösung, an die Frage: Wie lässt sich der Fehler beheben? Wie kann man ihn zukünftig umgehen? Die Mitarbeiter:innen suchen nach neuen Alternativen oder Varianten des bisher Gemachten. Hier ist der Freiraum wieder gefragt! Dann versucht man das Entsprechende erneut, das Ergebnis wird überprüft, und es wird – wo nötig – nachtariert. Auf diesem Weg haben alle Beteiligten einen Lerneffekt. Je besser die Führungskraft durch diesen Prozess begleitet, umso besser werden die langfristigen Ergebnisse und umso zufriedener bzw. motivierter die Mitarbeiter:innen.
Mutig und ganzheitlich denken
Im gesamten unternehmerischen System kann man an Fehlern oder eher: einem besseren Umgang damit arbeiten. Erst am Ende der Prozesskette Fehler zu beseitigen, kann viel Geld kosten. Stattdessen lohnt es sich, nach dem echten Grund der Entstehung zu suchen und einen neuen Weg zu finden.
Am Beispiel von Toyota kann man das gut sehen: In den 1960er-Jahren begann das Unternehmen damit, fehlerhafte Autoteile nicht mehr einfach nur aus der Produktion herauszunehmen. Die Teile wurden zusätzlich untersucht. Nachdem die Mitarbeiter:innen verstanden hatten, wodurch der Fehler entstanden war, konnten sie den ursprünglichen Fehler in einem weiter vorgelagerten Produktionsschritt beheben. Auf diesem Weg sparte Toyota viel Geld für falsch hergestellte Teile, hatte zuverlässigere Produkte und weniger Reklamationen. Man sieht daran: Aufgedeckte Fehler können viel Geld sparen oder das Produkt wertvoll verändern. Eine gesunde Fehlerkultur muss also zum selbstverständlichen Teil des Systems werden.
Einmal ist keinmal, zweimal ist einmal zu viel
In vielen Unternehmen gibt es Bereiche mit Null-Fehler-Toleranz, in der Total-Quality-Management einen besonderen Stellenwert hat. Ein Nichterreichen dieser Fehlerquote hätte fatale Folgen für das Produkt, die/den Kund:in bzw. das Unternehmen. In vielen anderen Bereichen aber kann und – und zum Teil – muss man sich neu ausrichten. Hier ist Lernen fundamental. Das Kontroverse ist, dass sowohl Offensein für Fehler als auch deren Vermeidung zur produktiven Fehlerstrategie gehören. Es gilt der Grundsatz: Einmal ist keinmal, zweimal ist einmal zu viel. Auf diesem Weg haben wir die Möglichkeit, über uns hinauszuwachsen und unser Produkt dauerhaft zu optimieren.
Fehlerkultur nicht einfach nur als netter Slogan
Fehlerkultur darf nicht einfach ein netter Slogan innerhalb der Firma sein, sondern muss in ganz klare Prozesse und Abläufe münden. Sie wird in der Haltung der Mitarbeiter:innen sichtbar. Es ist selektiv zu betrachten, wo Fehler gemacht werden dürfen. Da können Fehler auch schlicht als Erfahrungswerte genommen werden, und der Schrecken davor wird schon deutlich geringer. Die Führungskraft hat verschiedene Rollen inne als Moderator:in, Koordinator:in und Coach für das Team. Dann können Potenziale bei den Mitarbeiter:innen freigesetzt und nutzbar gemacht werden.
Und jetzt? Versuchen wir Neues, erlauben wir Fehler!!