Betriebswirtschaft im Obstbau

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Christian Gruber

So optimieren Sie Ihren Betrieb

 

Als Obstbauer ist man nicht nur ein landwirtschaftlicher Arbeiter, man ist auch Unternehmer. Den
eigenen Betrieb bedarf es gut zu bewirtschaften und zu optimieren, um nachhaltige Gewinne zu
erzielen. Dies geschieht mit dem nötigen Know-how, aber auch mit den richtigen Messwerten. Christian
Gruber, Obstbauer und Unternehmensberater, verschafft einen Überblick über die essenziellen
Methoden, welche zur präzisen Leistungsoptimierung Ihres Obstbaubetriebes führen.

 

Jeder Betrieb ist anders

Im Obstbau gibt es eine Vielfalt an Betrieben mit unterschiedlichen Größen und diversen Voraussetzungen. Die Betriebsgröße reicht von den vermehrt kleinstrukturierten und familiär-geführten Betrieben bis hin zu Großbetrieben. Auch die klimatischen Verhältnisse  variieren und das Produktsortiment ist breit gestreut. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht fällt es deshalb schwer, durchschnittliche Messwerte zu definieren, da die Abweichungen der Ausgangssituation zwischen den Betrieben zu groß sind. Trotzdem, es gibt einige Messgrößen, die für alle Betriebe anwendbar sind und jeder Betrieb sollte über seine eigenen Daten, insbesondere Erlöse und Kosten, Bescheid wissen. Schließlich will man nach getaner Arbeit wissen, ob sich diese rentiert hat. Dazu zieht man unter anderem den netto Cashflow in Betracht.

Der netto Cashflow – die Ernte der Frucht

Ernte gut alles gut! Dies mag vermehrt stimmen, allerdings sollte der netto Cashflow nicht vergessen werden. Schließlich ist jeder Betrieb ein Unternehmen und jeder Unternehmer, also auch der Bauer, muss sich die Frage stellen: Habe ich gut gewirtschaftet?
Die Antwort darauf gibt der Kassenfluss, der folgenderweise berechnet wird:

Netto Erlöse     –     alle laufenden Netto-Ausgaben

Eine einfache Rechnung, die man sich aber tief einprägen sollte. Denn das Ergebnis bestimmt, ob der Betrieb langfristig überleben kann.  Aussagekräftig ist der Kassenfluss über mehrere Jahre hinweg betrachtet. Ist das Ergebnis im Durchschnitt positiv, so verzeichnet der Betrieb einen Erfolg. Ist das Ergebnis durchschnittlich negativ, sollte der Betreiber eine vermehrte wirtschaftliche Sichtweise heranziehen. Wie erwirtschafte ich meine Erträge? Sind meine Sorten marktorientiert? Wie viele Kosten habe ich und nutze ich diese Ausgaben effektiv? Der netto Cashflow soll auf den Gesamtbetrieb, aber auch auf die einzelne Anlage hin betrachtet werden.

Diese einfachen, aber grundlegenden Fragen  helfen bei Entscheidungen, die Antwort und die daraus resultierenden Aktivitäten  entscheiden  über Verlust oder Gewinn.

Deshalb gilt: Kosten und Erlöse soweit als möglich optimieren!

 

Kosten sind nicht gleich Kosten

Wer erfolgreich sein will, der muss seine Kosten kennen. Diese sind im Obstbau nicht immer vorhersehbar: Das Produkt befindet sich unter freiem Himmel und ist externen Risikofaktoren ausgesetzt. Letztere beeinflussen den jährlichen netto Cashflow häufig negativ. Beispielsweise wenn die Ernte aufgrund von Hagel oder Frost ausfällt und gerade eine hohe Investition getätigt wurde.

Die Investitionskosten: Sie sind meist kostenintensiv und abhängig vom Standort, den Sorten und der Beschaffenheit des Grundstücks. Kleinstrukturierte Betriebe mit mehreren Grundstücken weisen mehr Kosten auf, da ein größerer Aufwand anfällt.
Bei hohen Investitionen wie etwa eine neue Anlage werden die Kosten langfristig aufgeteilt. Hier ist die Lebensdauer der Anlage maßgeblich. Für die Ermittlung der Rentabilität  ist die Dauer der Bewirtschaftung der erhebliche Unterschied, ob die Investitionskosten auf  zwölf oder zwanzig Jahre abgeschrieben werden und ist somit ausschlaggebend für das Ergebnis. Durchschnittliche Betriebe tätigen jährlich neue Investitionen, welche sich summenmäßig mit den Abschreibungen gleichsetzen. Somit stellen erstere kein Problem für den netto Cashflow dar. Zu hohen materiellen Investitionskosten zählen unter anderem Hagelnetze und Maschinen. Im Unterschied zu den Investitionskosten,  die über einen langen Zeitraum abgeschrieben werden, fallen die Personalkosten jährlich an und beeinflussen den jährlichen netto Cashflow stark.

Die Personalkosten: Der Obstbau lebt von der menschlichen Handarbeit. So werden im Durchschnitt 550 Stunden pro Hektar investiert – immer abhängig vom menschlichen Leistungspotenzial. Von diesen 550 Stunden werden 300 Stunden durch Dritthelfer ausgeführt. Der Kostenpunkt verläuft sich pro Stunde auf ca. elf Euro. Daraus ergeben sich externe Personalkosten von rund 3.500 Euro pro Hektar.
Die wichtigsten arbeitsintensiven Schritte sind die Ernteleistung und das Handausdünnen. Ein gutes Verhältnis aus Leistung-Kosten zeigt folgendes Beispiel, welches auch einen Richtwert darstellen kann:

65 Stunden für 10 Tonnen Ernteleistung.

Mit dem Stundengehalt von elf Euro würden die Kosten pro Kilo über sieben Cent liegen. Je mehr Arbeitsstunden für dieselbe Ernteleistung anfallen, desto höher die Kosten pro Kilo. Umso mehr Kosten, umso geringer die Chance auf einen positiven Kassenfluss! Wie man seine Kosten optimieren kann, zeigt der Auslastungsfaktor.
Er betrifft sowohl die menschliche als auch die maschinelle Leistung. Beide Leistungen sollten so hoch wie möglich ausgelastet sein.

Beispiel Auslastung eines Traktors:

 

Auslastung Traktor in Stunden:

Es ist ersichtlich, je höher die Nutzung des Traktors, desto geringer sind die fixen Kosten pro Stunde. Aber nicht nur die Maschine sollte optimal ausgelastet sein, auch der Mensch. Im Schnitt fallen 250 Stunden Eigenarbeit pro Hektar an. Je mehr Hektar, umso besser die Auslastung. Bei drei Hektar findet kein optimales Auslastungsverhältnis statt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Betrieb nicht gut wirtschaftet. Kleinstrukturierte Betriebe können durch die richtige Sorte und Menge gleich oder auch besser dastehen wie Betriebe mit zehn Hektar. Letztendlich zählt der netto Cashflow als die zu optimierende Kennzahl. Hohe Erlöse sind allerdings oft schwierig zu erreichen, da sie von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden.

Der Erlös: ein Glücksspiel?

Zur Ermittlung des Erlöses gilt die Kennzahl: Euro pro Hektar = Erlös, also Menge mal Preis. Diese Kennzahl ist auf alle Betriebe anwendbar, denn jeder Einzelne kann sich in Hektar messen. Ausschlaggebend für ein gutes Ergebnis sind zum einen die Menge pro Sorte und zum anderen der Preis pro Sorte.
Vielfach spielen aber auch hier externe Faktoren eine enorme Rolle: Witterung und Schädlinge können Mengen erheblich reduzieren – der Markt bestimmt den Preis fast jährlich neu. Der Bauer kann allerdings mit Wissen und dem richtigen Mix von Quantität und Qualität dagegenwirken. Beispielsweise kann man mit der richtigen Anwendung von Pflanzenschutz gegen Insekten vorgehen. Sparen sollte man hier keineswegs, denn kostentechnisch gesehen, entspricht dies nur einem geringen Anteil vom netto Cashflow.
Allgemein lässt sich behaupten, dass bei über 20.000€ Umsatz pro Hektar der Betrieb langfristig überleben kann. Eine hohe Messlatte, welche viele Betriebe nicht mehr erreichen.

Die wichtigsten Hebel

Zusammenfassend lässt sich feststellen:  kein Betrieb ist identisch mit einem anderen und trotzdem muss immer der netto Cashflow optimiert werden. Folgendes Beispiel veranschaulicht eine Gegenüberstellung zweier Betriebe, welche flächenmäßig gleich wirken, sich aber wirtschaftlich enorm unterscheiden.

Beide Betriebe weisen 5 Hektar vor.

Betrieb A erzielt jährlich 25.000€ Umsatz pro Hektar.

Betrieb B erzielt jährlich 20.000€ Umsatz pro Hektar.

Beide Betriebe haben eine Kostenstruktur von 18.000€ jährlich.

Somit erzielt Betrieb A 7.000€ pro Hektar netto Cash Flow jährlich, während Betrieb B nur 2.000€ pro Hektar netto Cash Flow macht. Berechnet man dies auf zehn Jahre, so steigt die Differenz zwischen den beiden Betrieben enorm.

Betrieb B sollte deshalb seinen Betrieb aus einer mehr wirtschaftlichen Perspektive betrachten und folgende Faktoren bei Entscheidungen miteinbeziehen:

  1. Die Hektarerlöse, bestehend aus Euro pro Hektar. Wie viel Menge ergibt sich aus einer Sorte? Wie viel Euro bekommt man für diese Sorte?
  2. Die Investitionskosten und der Auslastungsfaktor. Sind die Investitionen optimal ausgelastet?
  3. Die Arbeitsstunden: Wie viel Arbeitsstunden werden für welche Ernteleistung benötigt?
  4. Die laufenden Materialkosten: Welche Materialkosten habe ich?

All diese Faktoren sollten immer langfristig beobachtet und notiert werden. Erst dann lassen sich richtige Messwerte definieren.
Vielfach leben wir lieber in Nebenschauplätzen und beschäftigen uns zu wenig mit den essentiellen Dingen. Dies kann wirtschaftlich hindernd sein.

Das ROI TEAM berät Sie gerne in betriebswirtschaftlichen Angelegenheiten!

 

Über den Autor:

Christian Gruber, aufgewachsen in einem Obstbaubetrieb, hat seine beiden Leidenschaften im Beruf vereint: Landwirtschaft und Unternehmertum. So ist er seit dem Abschluss internationaler Wirtschaftswissenschaften Unternehmensberater mit Schwerpunkt Landwirtschaft.

 

Hier geht’s zum Artikel von „Besseres Obst“, Ausgabe 04/2021.