Wie viel ist das Unternehmen wirklich wert?
Beim Kauf von Unternehmen klaffen die Preis-Vorstellungen oft weit auseinander. Unabhängige Expert*innen können vermitteln
Gerade in Krisenzeiten werden die Karten neu gemischt. Starke Unternehmen fressen schwache. Manche geben von selbst auf und verkaufen ihre Firma. Andere packen eine Krise beim Schopf und gehen ein unternehmerisches Risiko ein, das sie sich in normalen Zeiten nicht getraut hätten – und kaufen eine Firma.
Die Karten werden aber auch ohne äußere Krisen neu gemischt, nur etwas langsamer. Der ganz natürliche demographische Wandel führt unweigerlich dazu, dass Unternehmer*innen Ihr Lebenswerk irgendwann in neue Hände geben wollen. Oder müssen.
Laut einer Schätzung des Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) der Handelskammer Bozen gibt es „in Südtirol rund 7.000 Unternehmen, die sich in den nächsten Jahren voraussichtlich der Nachfolge stellen müssen“. Das sind gefühlt viele. Eines der Kriterien, auf dem die Studie fußt, ist das Alter der Unternehmer*innen.
Manche Menschen regeln ihre Dinge bewundernswert früh, viele aber recht spät: Die Fragen, die zu klären sind, sind aber immer die gleichen:
- Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Unternehmens-Nachfolge?
- Wer kann und will übernehmen (Kinder, Mitarbeiter*innen, externe Käufer*innen)?
- Und, last but not least: Was ist das Unternehmen wirklich wert?
Wir beschäftigen uns in diesem Text dem dritten Punkt, der Unternehmens-Bewertung.
Was ist ein Unternehmen wirklich wert? Schwierige Frage. Nicht selten steckt ein ganzes Lebenswerk in einer Firma, und damit auch viele Emotionen und Erinnerungen. In der Firma steckt womöglich auch die Altersvorsorge, vielleicht auch das Erbe an die nächste Generation (oder eine Bürde). Je größer die Firma, desto spitzer werden die Bleistifte aller Beteiligten.
Plötzlich können individuelle Wert-Vorstellungen weit auseinander liegen, bis hin zum Streit.
Umso wichtiger ist es, mit dem Blick eines Außenstehenden an die Sache heranzugehen und die Unternehmens-Bewertung mit objektiven, nachvollziehbaren Kriterien vorzunehmen. Das ist essentiell, egal ob die Firma in der Familie bleiben soll oder in fremde Hände gelegt wird.
Objektive und subjektive Bewertung, Darstellung nach: Felden, Birgit und Klaus, Annekatrin: Unternehmensnachfolge. Schäffer Poeschel, Stuttgart 2003, S.109.
Der Wert ist nicht der Preis
Der Wert eines Unternehmens ist nicht sein Preis. Zwar liegen diese Begriffe eng beieinander, sie sind aber zwei Paar Schuhe.
Für den Wert gibt es etablierte Methoden zur Berechnung und Schätzung. Meist probiert man zwei oder drei Methoden, und die Bandbreite der Ergebnisse bietet dann Orientierung für die Preis-Verhandlung. Für den Preis hingegen gibt es letztlich nur ein Ergebnis: nämlich das, was der Käufer bereit ist, zu zahlen. Der gezahlte Preis kann dem ermittelten Wert entsprechen, er kann aber auch darüber oder darunter liegen.
Das Schwierigste bei der Unternehmens-Bewertung ist der Blick in die Zukunft. Die Gegenwart lässt sich vergleichsweise einfach darstellen: Welche Vermögenswerte liegen vor, was sind deren Marktpreise, gibt es Schulden, etc. Aber was wirft ein Unternehmen in fünf, zehn, zwanzig Jahren ab?
Wie gut ist ein Unternehmen, bei dem die Nachfolge zu regeln ist, für die Zukunft gerüstet? Wie können die Eigentümer*innen den Wert des Unternehmens positiv beeinflussen (und damit meinen wir nicht, die Braut mit billigem Make-up aufzuhübschen)? Und welche Risiken können mit dem Eigentümerwechsel einhergehen; könnten etwa wichtige Mitarbeiter*innen das Unternehmen verlassen und damit Know-how und Netzwerke verloren gehen?
Auch der Übergabe-Prozess an sich birgt Risiken. Wird der Prozess verbockt, kann der Unternehmenswert allein dadurch stark sinken. Damit das Unternehmen nach dem Kauf keine g‘schminkte Leich‘ ist, müssen für alle Eventualitäten Annahmen getroffen und Bewertungs-Szenarien entworfen werden. Das bringt uns zur Wahl der passenden Bewertungs-Methode.
Methoden der Unternehmens-Bewertung
Jedes Unternehmen ist einzigartig, und keine Bewertung kann das adäquat widerspiegeln. Materielle Werte lassen sich einfach bewerten (z.B. Maschinen), immaterielle schwer (z.B. Know-how). Wir sind also auf die Reduzierung von Komplexität angewiesen! Und das können die drei folgenden Bewertungs-Methoden verblüffend gut, deshalb sind sie in der Praxis gängig.
Folgende Fragestellungen helfen bei der Auswahl der passenden Methode:
- Für Unternehmen mit überwiegend materiellen Werten (Immobilien, Maschinen) empfiehlt sich die Substanzwert-Methode. Die grobe Formel lautet: Vermögen – Schulden = Wert.
- Für Unternehmen, deren Ergebnisse gut vorhersehbar sind, kann die Discounted-Cashflow-Methode angewandt werden. Dabei wird z.B. zehn Jahre in die Zukunft geblickt. Ein sehr interessanter Prozess.
- Bei der Multiplikatoren-Methode werden Branchen-Kennzahlen angewandt. Sie stammen von Markt-Analysten, sind daher kostenpflichtig und basieren auf denjenigen Preisen, die bei Unternehmenskäufen tatsächlich erzielt wurden. In der Praxis hat sich diese Methode zur relevantesten entwickelt, kein Wunder, da steckt viel Marktforschung drin.
Die Substanzwert-Methode
Diese Methode geht davon aus, dass ein Unternehmen so viel wert ist wie die Summe seiner Einzelteile. Bewertet werden sie zu Marktpreisen, als müsste man alle Teile sofort verkaufen. Die Vor- und Nachteile dieser Methode:
+ einfache Anwendung
+ man erfährt die Wiederbeschaffungs-Preise aller „anfassbaren“ Werte
– abstrakte Werte wie Kunden oder Wettbewerbsfähigkeit werden nicht berücksichtigt
– die Profitabilität wird nicht berücksichtigt
Die Discounted-Cashflow-Methode (DCF)
Das DCF-Verfahren ist in den letzten Jahrzehnten populär geworden und international gängig. Dabei wird nicht auf die materielle Substanz eines Unternehmens geschaut, sondern auf den erwirtschafteten Zufluss von Geldmitteln (Cashflow). Dieser wird für die nächsten z.B. zehn oder mehr Jahre geschätzt, und auf seinen Gegenwartswert „abgezinst“ (to discount).
+ Fokus auf die Ertragskraft
+ Anwendung ist einfach bis komplex, und generell eine sinnvolle Strategie-Übung
– Wahl des Abzinsungs-Faktors ist schwierig und hat großen Einfluss aufs Ergebnis
– bisherige Cashflows sind nur begrenzt aussagekräftig für die Zukunft
Die Multiplikatoren-Methode
Diese Methode ist marktorientiert, praxisnah und daher eine interessante dritte Perspektive. Herangezogen wird ein sogenannter Multiplikator (Englisch: multiple). Er basiert auf den Preisen, die bei Übergaben / Übernahmen vergleichbarer Unternehmen tatsächlich erzielt wurden. Die Multiplikatoren können aus sogenannten Multiples-Tabellen ausgewählt werden, je nach Branche und Unternehmensgröße. Sie werden auf den Umsatz bzw. Gewinn angewandt.
+ einfache Anwendung
+ Orientierung an Marktpreisen, einfach zu recherchieren (kostenpflichtig)
– zukünftige Entwicklung des Unternehmens wird nicht berücksichtigt (z.B. Rentabilität)
– für sehr kleine Firmen sind Marktpreise mitunter zu grob
Empfehlung
Die drei vorgestellten Bewertungs-Methoden haben alle ihre Vor- und Nachteile. Es ist allemal leichter, eine real vorhandene, physische Substanz zu bewerten, als zukünftige Gewinne. Ein Methoden-Mix bietet bei der Unternehmens-Bewertung daher die beste Orientierung.
Falls Sie Kauf-Interessent*in sind, sollten Sie sich aber nicht nur auf Rechenmodelle verlassen, sondern die Besonderheiten des Objektes der Begierde berücksichtigen und wertschätzen. Das Wohl und Wehe insbesondere von kleinen Firmen ist oft nur von wenigen Menschen abhängig (Inhaber*innen, Mitarbeiter*innen, Kund*innen, etc.). Wenn diese Menschen Ihnen vertrauen und zuversichtlich in die Zukunft blicken können, haben Sie schon viel erreicht.
Deshalb ist ein gelungener Nachfolge-Prozess ein großer Wert an sich und in den Händen von Profis am besten aufgehoben.
Das ROI TEAM berät und begleitet Sie gerne.