Gefühle des Mangels
Der 1962 in Dresden geborene Schriftsteller Ingo Schulze beschreibt im Handelsblatt das Unbehagen, das ihn befallen hat: Er schreibt: „Die neue Selbstverständlichkeit ist ein allumfassender Ökonomismus. Etwas zu denken, das sich ’nicht rechnet‘, das nicht dem Wachstum dient, das dem McKinsey-Prinzip entzogen wird, existiert kaum noch marginal.“
Ich meine: die absolute Hinwendung zur „wirtschaftlichen Produktivität“ schafft zwar materiellen Wohlstand aber auch automatisch Leere im persönlichen Bereich, in der Sinnerfüllung. Die Suche nach Sinn ist so alt wie die Menschheit selbst. Diese Sinnsuche drückt sich vor allem in Religion und „Aktivitäten für andere“ aus. Ich tue etwas von dem ich annehme, es wird nicht nur mir dienen, sondern es ist gut für die Allgemeinheit. Ob dies nun die Mitgliedschaft in der Musikkapelle oder der Pfadfindergruppe, der Selbsthilfegruppe für Krebspatienten oder die freiwillige Arbeit im Altersheim ist, in jedem Fall sind diese Aktivitäten für viele andere hilfreich. Zusätzlich dazu „erhält“ der / die Gebende das Gefühl der Dankbarkeit, der Sinnerfüllung. Er / sie wird durch das innere Bedürfnis des Menschen befriedigt, Gutes zu tun und so die „ökomomische Leere“ zu überwinden.
Materieller Wohlstand ist die Voraussetzung dafür, dass wir es uns leisten können, unserer Sinnerfüllung zu finden. Das eine (materieller Wohlstand) schließt das andere (Sinnerfüllung) nicht aus, sondern ergänzt es. Die persönliche Balance zwischen beiden Elementen zu finden, das ist, so finde ich, der richtige Weg.